Der Kamelhüter

Sufi-Geschichte

Inmitten einem kargen Wüstengebiet lag eine fruchtbare Oase, in der auch ein weitherum bekannter Mullah sein Zelt aufgeschlagen hatte. Jeden Sonntag versammelten sich viele Gläubige um ihn und im Schutze der großen Zeltdächer trafen sie sich zur gemeinsamen Andacht. Zu diesen Treffen strömten jeweils auch alle Kameltreiber der Umgebung und manchmal waren es so viele, dass der Platz fast nicht auszureichen schien.

Unter den Nachzüglern fand sich auch ein Kameltreiber, den es aus der weiteren Umgebung zu der Oase drängte. Er war spät dran und fand nicht sofort einen Platz, an dem er sein Kamel hätte anbinden können. Da die Zeit drängte, schickte er ein Stoßgebet gehn Himmel und dachte: "Oh Allah, Du weißt ich bin dein Diener. Bitte, hilf mir, denn ich will doch rechtzeitig zur Andacht kommen. Halt bitte ein wachendes Auge über mein Kamel, damit es nicht wegläuft und verloren geht." Mit diesem Vertrauen eilte er schnell zum Zelt, wo die Gläubigen gerade mit ihrem Gebet begannen.

Als der Anlass vorüber war und er an den Platz zurückging, wo er sein Kamel hatte stehen lassen, fand er es tatsächlich friedlich ruhend vor. Ein Stein fiel ihm vom Herzen und wohlgemut machte er sich auf den Rückweg.

Doch schon bei seinem nächsten Besuch in der Oase, hatte er sich wieder in der Zeit verschätzt und musste sich beeilen, um noch rechtzeitig zur Andacht zu kommen. "Ach, Allah wird es schon richten! Er hält immer seine schützende Hand über seinen Diener" dachte er bei sich, sprang vom Kamel und eilte zum Gebet. Wie erstaunt war er jedoch, als er zu dem Ort zurückkam, an dem er sein Kamel zurückgelassen hatte. Weit und breit war nichts mehr von ihm zu sehen. Zornig richtete er seinen Blick zum Himmel und lief zurück zum Zelt, um sich beim Mullah zu beschweren: "Ehrwürdiger, als dein treuer Diener wollte ich deine Predigt nicht versäumen und eilte von weither herbei. Ich wollte nicht zu spät kommen, Allah den Lobpreis zu singen, deshalb habe ich mein Kamel nicht angebunden. Aber schau nur, wie ungerecht ich nun dafür belohnt werde! Kennt Allah seine Diener nicht?" Da lächelte der Mullah und sagte freundlich zu ihm: "Ja, denkst du denn, Allah sei dein Kamelhüter!"


Es gibt zwei Arten wie man die Dinge in dieser Welt anpacken kann: die praktische Art und das Wunder. Der praktische Vorgang liegt darin, zu den Füssen eines Heiligen oder gar des Höchsten zu beten, dass er doch die Dinge in die Hand nehmen möge. Als Wunder ist es zu betrachten, wenn jemand sich aufrafft und sich richtig anstrengt, um das Ziel zu erreichen. - Kolumbianischer Witz